
Motorsport tut sich schwer – keine Frage. Vor allem aktuell weht der gesamten Branche ja ein gefühlt eisiger Wind ins Gesicht. Bei uns in Deutschland sorgt der Nürburgring für Negativ-Schlagzeilen, insbesondere nach der Tragödie beim ersten VLN-Lauf. Gut, Motorsport taucht generell in sagen wir mal auflagenstärkeren Medien meist nur mit negativ bedachten Texten auf – aber auch was die verschiedenen Serien angeht, ist man irgendwie hauptsächlich in einer Streitkultur gefangen, wenn man den sozialen Netzwerken folgt.
Oft klingt hier ein klassisches – Früher war alles besser, lauter, schöner, und und — durch. Viele internationale Top-Serien tun sich einfach heutzutage schwer, den Nerv des Fans zu treffen. Da hilft, wie so oft, der Blick über den rennsportlichen Tellerrand, denn fernab der Formel 1, der DTM und Serien à la Forme E (Sound- wo bist du geblieben..) gibt es ihn durchaus noch. Den Motorsport, wo man noch nahe dran ist, ungehindert den Teams beim Schrauben über die Schulter schaut und einfach die Rennen und den Sound genießen kann. Ein Beispiel dafür par excellence ist der Raceway Venray.
Hier hat schon vor einiger Zeit Unternehmer Harry Maessen praktisch aus dem Nichts im platten Limburger Land ein Halb-Meilen-Oval hingestellt, was seinesgleichen in Europa sucht. Die Ovalrennstrecke ist nach amerikanischem NASCAR-Vorbild entstanden und bei einem ersten Besuch merkt man schnell, dass es hier anders zugeht als in Europas modernen Profi-Rennserien. Nicht weniger professionell, aber einfach anders, in einem familiären Umfeld, irgendwie entspannter.

In der Ovalrennsport-Szene jedem ein Begriff, sind die stattfindenden Rennen hier zu Lande bei vielen doch gänzlich unbekannt. Das Ganze hängt natürlich oft auch mit Namen zusammen, viele werden den heimischen Motorsportfans erstmal wenig sagen. Wenn ich aber Stefan Oberndorfer ins Spiel bringe, sieht das ja schon ein wenig anders aus.
Der Bayer, der beispielsweise 1990 in der DTM unterwegs war und auch lange im Porsche Carrera Cup, begibt sich diese Saison in ein neues Abenteuer. Er übernimmt das Steuer eines Boliden des Late Model V8 Supercups und machte am vergangenen Ostermontag erstmals Jagd auf die Konkurrenten, die aber bereits über reichlich Erfahrung in Venray verfügen. Die braucht man auch, keine Frage, in diesem Punkt sind Piloten wie Barry Maessen, Patrick den Biggelaar oder Frank Wouters natürlich ein Stück weit voraus.
Dazu kamen am ersten Renntag kurz hinter der deutsch-niederländischen Grenze ein paar technische Schwierigkeiten an seinem Boliden mit der Startnummer #65, eingesetzt von Hendriks Motorsport (Namensähnlichkeiten mit Hendrick Motorsport aus den USA sind rein zufällig). So konnte er die ersten beiden Läufe des Tages nicht beenden. Im dritten und finalen Lauf sah er aber schließlich die schwarz-weiß karierte Flagge und kam als 10. ins Ziel, was gleichbedeutend mit Rang 16 im Gesamt-Tagesklassement war. Dort ganz vorn stand am Ende des Tages Barry Maessen am Steuer der #14, muss ich bei der Nummer ja einfach erwähnen.

Oberndorfers Bolide ist übrigens ein Lefthander-Chassis, speziell für Ovale ausgelegt, somit auch ganz anders zu bewegen als die ihm sonst bekannten Fahrzeuge (dazu auch einfach mal bei nascar-fahren.de vorbeischauen – könnt ihr auch gleich zur Buchung einer eigenen Fahrt nutzen…).
Und wie sah er selber seinen ersten Ausflug auf die „lange Bahn“ in Venray? „Die größte Umstellung für mich ist die sehr kurze (1/2 Meile) Strecke, zudem sind die Wagen ganz anders zu fahren, als meine NASCAR´s, da Lefthander Chassis“, so Oberndorfer. Wie kommt das Oval insgesamt beim ehemaligen DTM-Fahrer an? „Die Strecke und die gesamte Anlage sind einmalig in Europa, ich finde toll, dass es hier so was gibt. Kenn ich sonst nur aus den USA. Rennsport, wie ich ihn von früher (sehr früh) kenne. Nette Leute, nette Atmosphäre, alles sehr offen, aber dennoch harter, fairer Rennsport“.
Wir werden ihn auf jeden Fall die ganze Saison 2015 über in Venray sehen, soviel ist sicher. Was sind seine persönlichen Erwartungen? „Da fallen mir spontan drei Dinge ein: Spass im Oval, harte, faire Rennen und zufriedenstellende Leistungen von mir“.

Er ist aber nicht der einzige Deutsche im Feld der Late Models. Mit dabei sind noch Norbert Goestl, der das LMV8 Geschäft schon etwas länger betreibt und Patrick Heckhausen aus Krefeld, der ein absoluter Rookie in Sachen Automobilrennsport ist. Letztes Jahr gab es einen ersten Einsatz beim Finale, bei den Osterrennen 2015 galt vor allem für ihn: weiter Erfahrung sammeln. Die Late Models als Motorsporteinstieg-geht also auch. Im Tagesklassement reihte er sich auf Rang 12 ein.
Das Halb-Meilen Oval bekommt dieses Jahr an Pfingsten einen besonderen Besuch. Dann begeben sich die Boliden der NASCAR Whelen Euro Series auf die halbe Meile in Venray. Auch die Euro-NASCARS sind medial eine hier zu Lande noch wenig beachtete Serie, bieten aber genau das, was wir aus alten DTM-Zeiten oder auch aus V8-Star Tagen irgendwie vermissen, guten Motorsport, harte Kämpfe und keinen aerodynamischen Firlefanz. Die Fahrer werden gut daran tun, dem Oval mit Respekt zu begegnen und sie sollten sich am besten den ein oder anderen Tipp bei den hier aktiven Piloten holen.

Sowohl der Rennsport in Venray als auch die NASCAR Euro Series vermitteln eine andere Art von Motorsport, wie sie heutzutage kaum noch zu sehen ist. Es geht oft nicht um besonders weit entwickelte Technik, der Zuschauer braucht nicht zig Zusatzflaps an den Boliden – harte, aber faire, Zweikämpfe, dazu ein genialer Sound, das muss es manchmal sein, so wie früher halt oft. Motorsport muss nicht immer vernünftig sein, so ein Renntag sollte aber nachklingen – im positiven Sinne.
Ostermontag gab es natürlich auch wieder reichlich Rennaction auf der Viertelmeile, dem kleineren, inneren Ovalkurs. Neben den wuchtigen und einfach nur gut klingenden F1-Stockcars (so ein V8-Chevrolet mit bis zu 700 PS ist nunmal kein Elektromotor) fuhren die kleineren F2 Stockcars und natürlich die HotRods mit reichlich deutscher Beteiligung. Das Tagesklassement entschied hier John van den Bosch für sich, gefolgt vom Bochumer Uwe Mündelein.

Als Gastklasse erstmal mit am Start waren die 2l Hotrods, hier hat man das Ganze dann auch mal umgedreht. Dies hat aber praktische Gründe, für die Rechtslenker ging es als einzige im Uhrzeigersinn um den Kurs. In Venray gibt es nur einen Nachteil, man bekommt schnell das Gefühl, man verpasst etwas, falls man sich auf den Weg ins Fahrerlager begibt. Kann bei dem kurzweiligen Programm schon einmal vorkommen.
Wer das Oval noch nicht live gesehen hat, der sollte unseren Nachbarn auf jeden Fall bald mal einen Besuch abstatten, sozusagen Motorsport „Back to the Roots“ erleben und das tut heutzutage einfach mal richtig gut. In diesem Sinne, Keep Racing!
Infos:
verbleibende Renntermine Raceway Venray 2015:
23.-24.05.2015 NASCAR Whelen Euro Series
25.05.2015 Pfingstrennen
27.-28.06.2015 Half Mile Weekend
15.16.08.2015 WorldCup Stockcar
27.09.2015 HotRod Supercup
25.10.2015 Final-Läufe
Alles – rund – um das Oval bei mir gibt es hier.