
Whelen Euro Series 2016 – ELITE1 – enger Kampf um den Titel
Nach vier Rennwochenenden befindet sich der europäische NASCAR-Ableger nun in der Sommerpause, erst vom 16.-18. September geht es auf dem Adria Raceway unweit von Venedig weiter. Damit ist nun die „reguläre“ Saison abgeschlossen, denn ganz NASCAR-like gibt es bei den abschließenden beiden Rennwochenenden in Italien und im Oktober in Zolder/Belgien dann in den Playoffs doppelte Punkte. Damit ist natürlich der Kampf in allen Wertungen immer noch offen.
In der ELITE1 könnte es nicht knapper zugehen, liegt doch der Franzose Frederic Gabillon lediglich einen einzigen Punkt vor dem 2014er Champion, Anthony Kumpen aus Belgien. Es wären an sich ein paar Zähler mehr gewesen, doch Gabillon kassierte im Nachgang zum letzten Rennen noch einen Punktabzug, da er nicht direkt dem Kommando der Rennkommissare folgen leistete, an die Box zu steuern, als am Heck seines Mustang die hintere Stoßstange herunterhing. Gabillon wurde hier Opfer einer unglücklichen Attacke und konnte das hinderliche Teil noch abschütteln – da man sich in einer Safety-Car Phase befand, hätte er ansonsten seinen sicheren Sieg hergeschenkt, daher war auch im Nachhinein der Punktabzug die bessere Wahl.

Gabillon ist ein EuroNascar-Urgestein. Nach jahrelangen Duellen mit Ander Vilarino aus Spanien um den Titel, könnte in diesem Jahr die Stunde des Franzosen schlagen, der in den Vorjahren meist erst am Ende der Saison aufdrehte, aber 2016 von Anfang an überall bei der Musik ist. Da sieht man deutlich, was Erfahrung in der Whelen Euro Series ausmacht. Auch Gabillon absolvierte bereits vor einiger Zeit einen Gaststart in der amerikanischen K&N Series – gegen einen erneuten Ausflug ins Nascar-Mutterland hätte er sicher nichts einzuwenden.

Vor allem Anthony Kumpen hat einiges dagegen. Der Belgier, der nun bereits auf erste Meilen in der Xfinity-Series in den USA zurückblicken kann, liegt praktisch gleichauf und ist seit seinem Debüt in der Serie immer ein Sieg- und Meisterschaftskandidat. Mit Gabillon hat er aber eine harte Nuss zu knacken.

Gesamtrang Drei belegt aktuell Borja Garcia im Team von SPV Racing, das sich im NWES-Debütjahr mehr als gut schlägt. Zwar fehlt noch ein Sieg für den Spanier, doch 24 Punkte Rückstand sind im Playoff-System der doppelten Punkte aufzuholen. Man muss Garcia weiterhin auf der Rechnung haben, auf dem Tours Speedway hatte er wirklich mehr als Pech, als ein Trümmerteil der Konkurrenz den V8-Boliden lahm legte – das Teil traf den Hauptschalter (Master Switch), sonst wäre hier mehr drin gewesen.
Alon Day liegt aktuell auf Gesamtrang 4 der Meisterschaft mit 32 Punkten Rückstand. Trotz zweier Laufsiege war die bisherige Saison des Israeli ein Auf und Ab, vor allem auf den Ovalkursen ging bei ihm nicht viel zusammen. In Adria und Zolder kann man aber davon ausgehen, dass der wieder Punkte aufholen wird. Der 24-Jährige aus Tel Aviv durfte sich unterdessen über die Aufnahme ins „Nascar Next“-Programm freuen – eine Förderung für junge Fahrer aus den unteren Nascar-Klassen – Day ist der erste Pilot der Nascar Whelen Euro Series, der hier mit dabei ist. Das allein wird Motivation genug sein, noch gehörig im Kampf um den Titel mitmischen zu wollen.

Der Meister 2016 wird sicher zwischen diesen vier Piloten ausgefahren, zu beständig sind alle regelmäßig an der Spitze des Feldes zu finden. Weiterhin gilt es vor allem, einen Ausfall unbedingt zu vermeiden. Nach den ersten vier Rennwochenende fiel noch ein Streichresultat weg, nun wird jeder Punkt zählen, die Entscheidung wird sicher erst im allerletzten Lauf des Jahres in Zolder fallen, das kann man schon prognostizieren.
Die Top10 der Gesamtwertung vervollständigen die Franzosen Wilfried Boucenna und Thomas Ferrando, gefolgt von Nicolo Rocca, Gianmarco Ercoli, Bert Longin und Neuling Riccardo Geltrude. Vor allem Ercoli hatte viel Pech und ist noch für Einzelerfolge gut. Jenseits der ersten Zehn muss man vor allem Florian Renauer im Auge haben. Da man bei Renauer Motorsport die letzten Rennen in Tours ausgelassen hat und aktuell ausgiebig auf dem Pannonia-Ring in Ungarn getestet hat, um die letzten Zehntel zu finden, wird die Mannschaft sicher gestärkt in die letzten beiden Rennen gehen.
Die Spitze der EuroNascar ist mittlerweile derartig dicht zusammengerückt, dass es nur Kleinigkeiten sind, die hier den Unterschied ausmachen. Damit haben vor allem die Zuschauer die beste Ausgangslage für packende Zweikämpfe jenseits von DRS und aerodynamischen Flügelsalat – und das gibt es leider immer weniger in der Welt des Motorsports.
ELITE2 – Ein Belgier dominiert – Stienes Longin auf Titelkurs
Deutlich eindeutiger sieht es in Sachen ELITE2 vor den Playoffs aus. Stienes Longin führt die Tabelle mit 37 Punkten Vorsprung an und konnte 6 Laufsiege von 8 möglichen verbuchen. Selbst ein fehlendes Training in Tours und der Wechsel auf den Boliden von Brass-Racing konnten ihn nicht vom Siegen abhalten.
Wenn Longin die Nerven behält, wird er kaum zu stoppen sein. Trotzdem, ein Ausfall gilt es auch hier zu vermeiden. Dann käme die Stunde des Spaniers Salvador Tineo Arroyo, der auf Gesamtrang 2 lauert und der Einzige zu sein scheint, der den Speed von Longin in diesem Jahr mitgehen kann.

Weitere 11 Punkte dahinter liegt der junge Italiener Riccardo Geltrude, vor Thomas Ferrando, der sicherlich noch Boden gut machen wird. Geltrude seinerseits überzeugt in seinem Debütjahr der Serie auf ganzer Linie und konnte bereits einen Laufsieg feiern.
Eines kommt ihm natürlich zu Gute, er ist in beiden Meisterschaften am Start und hat so natürlich deutlich mehr Zeit auf der Strecke als einige Konkurrenten, wie zum Beispiel unser deutscher Nachwuchsfahrer Justin Kunz. Nach dem verkorksten Wochenende auf dem Raceway Venray ging es für ihn in Brands Hatch und Tours deutlich aufwärts, aktuell liegt er auf dem 14. Rang in der Meisterschaft. Ein Test ist noch geplant vor dem ersten Rennen der Playoffs, Kunz wird sicher noch für Überraschungen sorgen können, die Top 10 sind auf jeden Fall machbar.

Zuwachs und Rückkehrer
Es ist also angerichtet für ein spannendes „Halbfinale“ auf dem Adria Raceway in Italien im September. Nachdem das Feld auf dem Ovalkurs des Tours Speedway etwas dezimiert war, wird es auch wieder voller in der Startaufstellung. Renauer Motorsport ist wieder mit von der Partie, auch DF1 Racing will mit Freddie Hunt wieder ein gutes Resultat einfahren. Und mit dem Team von Ex-Formel 1 Pilot Alex Caffi gesellt sich ein Neueinsteiger dazu, der 2017 dann die komplette Saison absolvieren will. Alle Zutaten für ein Finale furioso und guten Motorsport sind gegeben.